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Selbstverständnis des „Netzwerk Friedensbildung Baden-Württemberg“

Friedensbildung ist Verfassungsauftrag
Artikel 12 der baden-württembergischen Verfassung: Die Jugend ist „ im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe … und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen“.

 

Si vis pacem, para pacem - wenn Du den Frieden willst, dann bereite ihn vor! Frieden ist machbar!

 

Das Netzwerk Friedensbildung ist ein Zusammenschluss von Organisationen und Friedensinitiativen aus Baden-Württemberg, die sich für die Stärkung der Friedensbildung in Schulen, der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg einsetzen. Friedensbildung ist Teil der politischen Bildung und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

 

Unser Verständnis von Frieden 
„Frieden“ umfasst mehr als die Abwesenheit von Krieg. „Frieden“ kann nicht mit Gewaltandrohung oder gar mit militärischen Mitteln erreicht werden. „Frieden“ wird nur durch einen zielgerichteten und engagierten Prozess kontinuierlicher Konfliktaustragung erlangt, der auf den allgemeinen Menschenrechten basiert und auf gewaltfreie und zivile Mittel setzt. Ein solcher Prozess wird an der Überwindung von Krieg sowie von struktureller Gewalt arbeiten, er wird die Ursachen, die beiden zugrunde liegen, analysieren, und er wird die Frage aufwerfen, welche zivilen Handlungsmöglichkeiten sich in den Krisen- und Kriegsgebieten eröffnen.

 

Weltweite ökologische, ökonomische und soziale Gerechtigkeit ist Ziel aller unserer Bemühungen. Konflikte sind unvermeidlich. Sie sind Bestandteil jeglichen Zusammenlebens. Im sozialen Nahbereich, in der Gesellschaft und auf allen internationalen Ebenen müssen wir uns fortwährend mit widerstreitenden Interessen auseinandersetzen. Dabei kommt es uns darauf an, WIE diese Konflikte ausgetragen werden. Grundlagen sind Verständigung und Kooperation der Konfliktparteien.

 

Friedensbildung 
Friedensbildung bedeutet lebenslanges Lernen. Wesentliche Bestandteile von Friedensbildung sind die sorgfältige Analyse der Konfliktursachen und die Erarbeitung und Vermittlung einer Kultur der Gewaltfreiheit sowie die aktive Auseinandersetzung mit Fragen des Zusammenlebens: Wie gehen wir mit unterschiedlichen Wertvorstellungen und den daraus resultierenden Konflikten, auf individueller wie gesellschaftlicher und internationaler Ebene, um. Für die Praxis bedeutet dies, Methoden des Globalen Lernens und der Streitschlichtung, Modelle der Mediation und Gewaltprävention sowie eine Kultur der Kriegsprävention und der zivilen Konfliktbearbeitung zu vermitteln und anzuwenden. Umfassende Friedensbildung bezieht Konzepte der Abrüstung, Formen gewaltfreien Widerstands und der Kriegsdienstverweigerung mit ein. Zu den zentralen Prinzipien ziviler Konfliktbearbeitung gehören Vertrauensbildung durch einseitige Schritte und Vorleistungen, eine Kooperation der Konfliktparteien zum beiderseitigen Nutzen (Schaffung einer win-win-Situation) sowie das Bekenntnis zu einer Politik der Aussöhnung und des gegenseitigen Respekts. Dabei liegen die Herausforderungen für eine 2 solche Friedensbildung auf der individuellen, der innergesellschaftlichen wie auch auf der weltgesellschaftlichen Ebene.

 

Gewaltfreies Handeln ist lernbar
Der Lernprozess beginnt mit der Aneignung von Analyseinstrumenten, um den Konfliktgegenstand und die wichtigsten Konfliktarten zu erkennen. Dies ist die Grundlage für eine gewaltfreie und konstruktive Konfliktbearbeitung auf der individuellen Ebene sowie für den Erwerb und die Erprobung von entsprechenden Kompetenzen. Auch auf der politischgesellschaftlichen Ebene geht es darum, entsprechende Instrumentarien und Konzepte der zivilen Konfliktbearbeitung kennen zu lernen, sie zu fördern und anzuwenden.

 

Friedensbildung will befähigen, mit Gewalt und Aggression umzugehen, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten, solidarisch zu leben sowie sich für Menschenrechte einzusetzen. Letztendlich geht es also um „die Förderung eines alternativen Verhaltensrepertoires, das den Rückgriff auf gewalttätige Handlungen nicht mehr notwendig erscheinen lässt.“ (Günther Gugel, 1996) Friedensbildung führt zur reflektierten, d.h. kritischen Haltung gegenüber Gewaltanwendungen und zum konstruktiven Umgang mit Kontroversen. Angewandt werden partizipatorische Methoden zur Gestaltung offener Lernprozesse. Die wichtigste Richtlinie im Schulunterricht wie auch in der politischen Bildung ist der „Beutelsbacher Konsens“, dem folgende drei Leitgedanken zugrunde liegen: das Überwältigungsverbot (politische Bildung statt Indoktrination), das Kontroversitätsgebot (was in Politik und Wissenschaft kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers diskutiert werden) und die Schüler/innen-Orientierung (der Schüler/die Schülerin muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine/ihre eigene Interessenlage zu analysieren).

 

Bundeswehrsoldaten in Schulen 
Die Erfüllung des Verfassungsauftrags zur Friedensbildung an Schulen ist aus Sicht des „Netzwerks Friedensbildung“ eine Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer. Durch die Kooperationsvereinbarung des Kultusministeriums Baden-Württemberg mit der Bundeswehr (2009/2014) wird dieser Auftrag in Frage gestellt. Sie ermöglicht es den Lehrer/innen, Jugendoffiziere in den Schulunterricht einzuladen, die die Schüler/innen über Konflikte und Kriege in der Welt, über Einsätze der Bundeswehr im Ausland sowie über die Sicherheitspolitik der Bundesregierung informieren sollen. Aus Sicht des „Netzwerks Friedensbildung“ referieren Jugendoffiziere hierbei einseitig die Grundzüge der aktuell herrschenden Sicherheitspolitik. So werden Einsätze in Krisen- und Kriegsgebiete aus überwiegend militärischem Blickwinkel behandelt. Zudem wird im Rahmen derartiger Unterrichtsbesuche indirekt positiv und unkritisch über den Beruf des Soldaten/der Soldatin informiert. Eine solche Praxis hält das „Netzwerk Friedensbildung“ mit den o.g. Grundprinzipien der politischen Bildung („Beutelsbacher Konsens“) für nicht vereinbar.

 

Aus Sicht des „Netzwerks Friedensbildung“ bedeutet eine solche Kooperationsvereinbarung vielmehr die politisch gewollte und bevorzugte Behandlung einer Institution, die für militärisch gestützten internationalen Konfliktaustrag eintritt. Ansätze ziviler Konfliktbearbeitung bleiben dabei auf der Strecke. Deshalb ist die Kooperationsvereinbarung ein bildungs- und friedenspolitisch falsches Signal.

 

Die im „Netzwerk Friedensbildung“ zusammengeschlossenen Organisationen fordern stattdessen eine umfassende Friedensbildung in die neuen Bildungspläne aufzunehmen. Eine verlässliche Infrastruktur zur Erarbeitung und Vermittlung von friedenspolitischem Grundwissen durch die Lehrer/innen an den Schulen ist unentbehrlich.

 

Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung 
Einen ersten wichtigen Schritt, um dem Verfassungsauftrag nachzukommen, stellt die „Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den badenwürttembergischen Schulen“ dar. Ziel der Erklärung ist es, die Bedeutung der Friedensbildung in baden-württembergischen Schulen zu fördern und sie in den Bildungsplänen des Landes als fächerübergreifendes Anliegen „stärker zu verankern“. Zudem sollen die Themen der Friedensbildung in der Aus- und Fortbildung der Lehrer/innen verstärkt und die dafür nötigen Institutionen geschaffen und gestärkt werden.

 

Diese Erklärung wurde von 17 Organisationen und dem Kultusministerium Baden- Württemberg im Oktober 2014 unterzeichnet. Seitdem arbeiten die 17 Organisationen auch im „Netzwerk Friedensbildung“ mit.

 

Die Servicestelle Friedensbildung und das Netzwerk Friedensbildung
Die Einrichtung der „Servicestelle Friedensbildung“ ist ein erstes Ergebnis der „Gemeinsamen Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den badenwürttembergischen Schulen“. Grundlage dieser Einrichtung ist der im April 2015 von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) gemeinsam mit Lothar Frick (Direktor der Landeszentrale für politische Bildung) und Uli Jäger (Programmleiter für Friedenspädagogik und Globales Lernen bei der Berghof Foundation) unterzeichnete und bis Ende 2016 befristete Vertrag.

 

„Ziel der neuen Servicestelle ist, Angebote im Bereich der Friedensbildung besser zu vernetzen, für Schulen und Pädagogen sichtbarer zu machen und neue inhaltliche Impulse zu setzen.“ (PM Nr. 34/2015, 17.4.2015) Die Servicestelle arbeitet seit August 2015. In der Steuerungsgruppe und dem Beirat wirken die im „Netzwerk Friedensbildung“ versammelten Organisationen mit. 

 

Weitere Schritte zur Stärkung der Friedensbildung in Baden-Württemberg müssen folgen. D.h., die Lehrer/innen erhalten tatsächlich eine Ausbildung in Friedensbildung, eine dauerhafte Ausstattung der Servicestelle mit finanziellen Mitteln wird über das Jahr 2016 hinaus gewährleistet. In diesem Sinne wird sich das „Netzwerk Friedensbildung“ weiterhin engagieren und steht dabei allen Interessenten/innen offen, die das Selbstverständnis mittragen.

Selbstverständnis Netzwerk Friedensbildung BW

 

Netzwerk Friedensbildung im Juli 2016

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